Big Picture Stakeholder
stakeholder-big-pictureIm IPMA-Modul Stakeholder, das sowohl im Level C , als auch im Level D Kurs durchlaufen wird, lernen Sie, worum es sich bei Stakeholdern handelt, wie Sie mit den Stakeholdern umgehen und warum es wichtig ist, die Erwartungen und Bedürfnisse aller Stakeholder zu erkennen.
Gegenstand und Relevanz des Moduls
Projektleiterinnen und Projektleiter sind die zentralen Personen im Projektmanagement. Darüber darf jedoch nicht vergessen werden, dass an einem Projekt direkt oder indirekt immer zahlreiche Personen, Gruppen und Organisationen beteiligt sind. Bei diesen Beteiligten handelt es sich um die Stakeholder. Nur, wenn alle Stakeholder mit ihren Forderungen und Bedürfnissen angemessen in die Projektplanung einbezogen werden, kann ein Projekt zum Erfolg werden – entsprechend wichtig ist das Stakeholdermanagement.
Interessen und Einflüsse: Die Probleme des Stakeholdermanagements
An einem Projekt sind Menschen, Gruppen und Personen beteiligt. Dass es sich bei ihnen um Stakeholder handelt, ist damit klar. Doch neben ihnen gibt es eine weitere Gruppe an Stakeholdern: Auch all jene, die vom Projekt betroffen sind, müssen in die Projektplanung und -durchführung einbezogen werden. Schwierig wird es, wenn die Stakeholder gegensätzliche Interessen und Ansprüche haben – und das ist fast immer der Fall. Aufgabe der Projektleiterin bzw. des Projektleiters ist es, die verschiedenen Interessen zu ermitteln, zu systematisieren und auf eine Vermittlung hinzuarbeiten. All das ist Teil des Stakeholdermanagements.
Klassischerweise werden im Stakeholdermanagement drei zentrale Punkte unterschieden. Zunächst geht es darum, Informationen zu sammeln: Nicht immer ist auf den ersten Blick ersichtlich, wer zur Gruppe der Stakeholder zählt. Sind entsprechende Informationen gesammelt, werden sie zur Grundlage des Projektmanagements: Wer was erreichen will, sollte dem Projektleiter bzw. der Projektleiterin immer bewusst sein. Bei allen weiteren Managementschritten sind die Auswirkungen auf die Stakeholder zu beachten – werden sie ignoriert, ist der Projekterfolg nicht selten in Gefahr, da mit Gegenwehr gerechnet werden muss. Hier ist folglich – und damit ist der dritte Punkt erreicht – ein proaktives Konflikt- und Erwartungsmanagement gefragt: Konflikte sollten auf Basis der ermittelten Informationen antizipiert und vor Ausbruch ausgeräumt werden.
Um all das erreichen zu können, ist ein systematisches Vorgehen nötig. Die wichtigsten Schritte, die nötig sind, um ein erfolgreiches Stakeholdermanagement zu betreiben, sollen nachfolgend kurz skizziert werden.
Die Ermittlung der Stakeholder
Bevor ein Stakeholdermanagement beginnen kann, muss Klarheit über die Stakeholder herrschen: Wer ist vom Projekt betroffen? Wer hat ein Interesse am Projekt? Basis eines erfolgreichen Stakeholdermanagements ist eine möglichst detaillierte Recherche der Interessen der einzelnen Stakeholder. Je mehr projektbezogene Informationen über die Stakeholder vorliegen, desto geplanter kann mit den verschiedenen Interessen umgegangen werden.
In der Praxis haben sich Gruppenarbeiten zur Ermittlung der Stakeholder bewährt. In einer Kleingruppe mit zwei bis fünf Personen werden Erfahrungen über ähnlich gelagerte Projekte ausgetauscht. Die Beteiligten sollten entsprechend bereits erfahren im Management ähnlicher Projekte sein. Gemeinsam werden Überlegungen zu möglichen Stakeholdern angestellt. Wichtig ist hierbei, zunächst in die Breite zu gehen: Welche substantiellen Aspekte berührt das Projekt? Welche Gruppen oder Institutionen sind von diesen Aspekten betroffen?
Sind die Stakeholder ermittelt, sollten ihre Interessen möglichst präzise formuliert werden. Diese Aufgabe ist meist recht zeitaufwendig – sie ist jedoch die zentrale Grundlage des Stakeholdermanagements. Hier sollten Sie also nicht sparen! Die Interessen der Stakeholder lassen sich meist gut ermitteln, wenn ihre Rolle im Projekt möglichst detailliert ausgeleuchtet wird. Ein Investor beispielsweise finanziert das Projekt. In dieser Rolle geht er ein Risiko ein, das sich für ihn lohnen soll. Seine Interessen bestehen also in einer möglichst schnellen, möglichst hochwertigen Durchführung des Projekts, die zu wirtschaftlichem Erfolg führt. Über die Ermittlung der Rolle im Projekt lassen sich für die direkt am Projekt beteiligten Gruppen und Personen auf diese Weise meist recht leicht projektbezogene Interessen ermitteln. Bei externen Betroffenen lässt sich das Interesse meist anhand der Art der Betroffenheit ermitteln.
Der Einfluss und die Beziehungen der Stakeholder
Sind die Stakeholder und ihre Interessen ermittelt, ist es wichtig, den Einfluss sowie die Beziehungen der Stakeholder zu durchleuchten. Auf diesem Wege kann ermittelt werden, inwieweit die einzelnen Stakeholder am Projekt beteiligt sind und wie stark ihre Einflussnahme sich auf den Projekterfolg auswirken kann. Der Einfluss auf den Projekterfolg und -verlauf lässt sich in Beziehung zum Interesse am Projekt setzen. Die so ermittelten Daten können anschliessend bildlich dargestellt werden – hierzu bieten sich Matrixdarstellungen an. Mit Hilfe dieser Darstellungen kann unmittelbar erkannt werden, welche Interessengruppen im Verlauf der weiteren Planung und Umsetzung besonders beachtet werden sollten.
Ferner ist es sinnvoll, die Beziehungen der einzelnen Stakeholder untereinander sowie zum Projekt selbst zu analysieren. Auf diese Weise lassen sich weitere Informationen über den potentiellen Einfluss einzelner Interessengruppen gewinnen. Auch äussere Einflussfaktoren wie Medien oder politische Akteurinnen und Akteure, zu denen einzelne Stakeholder Beziehungen unterhalten, sollten in die Analyse aufgenommen werden. Am Ende lässt sich eine strategische Karte erstellen, die alle Beziehungen der Stakeholder untereinander, zum Projekt sowie zu äusseren Machtfaktoren veranschaulicht. Auch hieraus lassen sich im Weiteren Informationen über notwendige Angebote an einzelne Stakeholder gewinnen.
Strategie und Kommunikation
Kernpunkt des Stakeholdermanagements ist eine strategische Kommunikation. Kennen Sie die Interessen aller Stakeholder und haben Informationen über den Einfluss, den die Stakeholder auf das Projekt ausüben können, sind sie in der Lage, eine Strategie zu entwerfen, die die Stakeholder soweit zufriedenstellt, dass der Projekterfolg sichergestellt werden kann. Die ermittelten Interessen, Einflussmatrizen und Beziehungskarten bilden die Grundlage des strategischen Entwurfs.
Die für den Projekterfolg wichtigsten Stakeholder sind diejenigen, die sowohl über ein grosses Interesse am Projekt als auch über einen grossen Einfluss verfügen. Mit diesen Stakeholdern sollte kooperiert werden. Werden ihre Interessen nicht ausreichend beachtet, ist der gesamte Projekterfolg in Gefahr. In diese Gruppe fallen in der Regel das höhere Management des ausführenden Unternehmens, Lieferantinnen und Lieferanten, die für den Projekterfolg wichtig sind, sowie aktive Kundinnen und Kunden, ohne die das Projekt ebenfalls zu scheitern droht.
In die zweite Gruppe fallen alle Stakeholder, die zwar einen grossen Einfluss auf das Projekt, aber nur ein geringes Interesse haben. Hierzu zählen etwa Investorinnen und Investoren. Meist sind diese Stakeholder schwer einzuschätzen, da nicht unbedingt ersichtlich ist, welche Interessen sie konkret verfolgen und welche Faktoren beachtet werden müssen, um sie zufriedenzustellen. Diese Stakeholder sollten zufriedengestellt werden, indem sie in alle grösseren Entscheidungen einbezogen werden. Darüber hinaus sollte ihre Passivität jedoch akzeptiert werden: Sie sind nicht direkt am Projekt beteiligt und haben kein Interesse daran, bei allen Projektentscheidungen mitzuwirken.
Die dritte Gruppe hat ein grosses Interesse am Projekt, aber nur einen geringen Einfluss. Hierzu zählen etwa Medien, die Verkaufsabteilung des ausführenden Unternehmens oder externe Partnerinnen und Partner. Diese Stakeholder können in kritischen Situationen sowohl zu Verbündeten als auch zu Hindernissen werden. Ein strategisch kluges Stakeholdermanagement setzt darauf, sie in regelmässigen Abständen über den Projektfortgang zu informieren und auf diese Weise ihr Informations- und Beteiligungsbedürfnis zu befriedigen.
Die vierte Gruppe bilden Stakeholder, die kein grosses Interesse am Projekt zeigen und keinen grossen Einfluss haben. Hier sind keine besonderen Massnahmen zu ergreifen.
Basierend auf der Einordnung in Gruppen sowie auf der Ermittlung von Unterstützerinnen und Unterstützern sowie Gegnerinnen und Gegnern des Projekts kann ein Kommunikationsplan entworfen werden, der darauf abzielt, möglichst viele Stakeholder zufriedenzustellen und den Projekterfolg auf diesem Wege zu sichern. Ein solcher Kommunikationsplan kann eng mit einem Marketingplan für das Projekt abgestimmt werden, da auch hierbei die einzelnen Stakeholder mit ihren Interessen bedacht und strategisch kommuniziert werden sollte.
Höheres Management und Co: Kommunikation mit Interessengruppen
Im Rahmen der Erarbeitung eines Kommunikationsplans sollten die unterschiedlichen Kommunikationsmuster und -bedürfnisse der wichtigsten Interessengruppen bedacht werden. Mit dem höheren Management und Auftraggebern wird beispielsweise auf eine andere Art kommuniziert als mit Benutzerinnen und Benutzern oder Lieferantinnen und Lieferanten.
Angehörige des höheren Managements haben in der Regel einen vollen Terminkalender und nur wenig Zeit für projektbezogenen Austausch. Hier gilt es, freie Zeiten möglichst effektiv zu nutzen. Kurze Pausen zwischen zwei Meetings bieten sich beispielsweise an, um projektbezogene Kommunikation zu betreiben und Entscheidungen zugunsten des Projekts zu beeinflussen. Da hier meist nur wenige Minuten zur Verfügung stehen, sollte die Kommunikation gut überlegt sein. In der Praxis hat sich zur Planung eines solchen Elevator-Pitches, einer überzeugenden Produktvorstellung in 30 bis 60 Sekunden, die AIDA-Formel etabliert: Erzeugen Sie Aufmerksamkeit für Ihr Projekt, wecken Sie Interesse, lösen Sie Verlangen (Desire) aus und provozieren Sie eine Aktion der angesprochenen Person! Bereiten Sie Ihren Pitch gut vor, versuchen Sie, alle vier Schritte abzudecken, und beantworten Sie alle wesentlichen Fragen zum Projekt. Bedenken Sie: Sie haben nur wenig Zeit und sollten sich deshalb nicht in Details verlieren!
Die Kommunikation mit Benutzerinnen und Benutzern, also denjenigen, denen das Projekt etwas Nutzbares geben soll, zielt hingegen vor allem darauf ab, die Vorzüge des Projekts zu kommunizieren und antizipierte Fragen zu beantworten. Lieferantinnen und Lieferanten erwarten hingegen eine möglichst eindeutige und sachliche Kommunikation, die die Bedingungen der Zusammenarbeit sowie die Anforderungen eindeutig herausstellt.
Netzwerke bilden
Je grösser das Projekt ist, desto mehr Stakeholder gibt es und desto schwieriger wird es, den Überblick zu bewahren und die Interessen aller Stakeholder angemessen zu berücksichtigen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, auf ein Netzwerk aus Partnerinnen und Partnern zurückzugreifen, die etwa bei der Kommunikation mit bestimmten Stakeholdern behilflich sein können. Hierzu zählen etwa Persönlichkeiten aus bestimmten Interessengruppen, die für das Projekt werben können, aber auch andere Unternehmen, die bereits Erfahrung im Umgang mit bestimmten Interessengruppen haben. Zu beachten ist, dass Partnerinnen und Partner ebenfalls zu Stakeholdern werden, da sie am Projekt beteiligt sind. Auch hier sollte also regelmässig informiert und strategisch kommuniziert werden.